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Redaktion

Interview: Schauspieler Mark Waschke über seine Sprechrolle als Marvels Hawkeye


© Lena Giovanazzi

Mark, zu Anfang ein Blick zurück: Was sind deine frühsten Hörspiel-Erinnerungen, was drehte sich bei dir im Kinderzimmer auf dem Plattenteller?

Bei mir waren das eher Hörspielkassetten. Da erinnere ich mich gut an Sprecher wie Hans Paetsch, an alte Winnetou-Hörspiele. Es gab auch eins mit dem Titel Die Weihnachtsgans Auguste, diese und andere haben wir immer wie- der gehört und die haben sich förmlich ins Gehirn gefressen. Auch dieser ganz bestimmte Tonfall, weil man meinte, (spricht dramatisch weiter) so erzählt man Geschichten. Beim Theaterschauspiel merkt man dann irgendwann, dass das gar nicht stimmt.

 

Wie näherst du dich einer Sprechrolle?

Wenn ich ein Hörspiel oder einen Podcast mache, interessiert mich vor allem die Möglichkeit, ganz direkt zu sein, einen ganz puren Sound drauf zu haben und trotzdem auch in eine Größe hineinzugehen, eine Wuchtigkeit, ein Pathos. Wenn man das heutzutage über Kopfhörer hört, schafft das nochmal eine viel intensivere Verbindung zum Körper, als wenn man es auf der Bühne oder auf dem Bild- schirm erlebt.

 

Wie sah es mit Comics bei dir aus?

Ich war nie der Comic-Fetischist, habe aber natürlich mitgelesen. Die lustigen Taschenbücher gefielen mir durchaus, mein Lieblingsband war der mit Donald als Phantomias. Was Superhelden angeht, passierte das eher in meinem Freundeskreis. Ein Kumpel von mir hat Superman rauf und runter gelesen, mein kleiner Bruder ging als Superman zum Karneval, da war also eine Menge los im eigenen Umfeld.

 

Was für ein Typ ist Clint Barton alias Hawkeye, den du im Hörspiel sprichst?

Das Interessante ist, dass er erstmal kein Superheld mit Superkräften ist, sondern eigentlich wahnsinnig menschlich. Er ist ein guter Bogenschütze und als solcher muss er ordentlich trainieren für das, was er macht. Das ist es, was mich an der Figur so interessiert hat. Ein Superheld löst bei dir ja etwas aus: Ach, wie wäre ich, wenn ich einer wäre? Dann könnte ich dies und das und jenes erreichen, ich könnte vielleicht fliegen. Wenn man aber auf Clint Barton guckt, wird man direkt mit ganz anderen Dingen konfrontiert, vor allem mit seinem Trauma. Da liegt der Hase im Pfeffer, da muss man hinschauen. Das sagt dir jeder Trauma-Forscher: Im Trauma selbst liegt immer der Schlüssel zur Lösung. Diese Verbindung seiner menschlich klaren Oberfläche und seiner kaputten Familiengeschichte, das schwierige Verhältnis zur Partnerin und zu seiner Tochter, das ist es, was ich daran spannend finde.

 

Wie anstrengend ist das Sprechen selbst? Wie lang ist so ein Produktionstag?

Das hängt davon ab, wie gut man in diesen bestimmten Fluss kommt. Aber es gibt beim konzentrierten Sprechen in diesen schalltoten Räumen schon eine natürliche Erschöpfungsgrenze. Bei mir sind es so um die fünf Stunden, dann ist dieser Punkt erreicht. Es kann bei besonders anspruchsvollen Produktionen allerdings auch passieren, dass man schon nach drei Stunden durch ist.


Guckst du dir die Filmvorlage an, im Sinne von: Wie macht es denn wohl Jeremy Renner als "Hawkeye"?

Ich habe schon mal reingeguckt, aber letztendlich ist das eine Interpretationssache. Was wir hier machen, ist eine ganz andere Figur, eine ganz andere Geschichte als das, was die da gemacht haben. Wenn man den Hamlet spielt, guckt man sich auch nicht andere Hamlet-Inszenierungen an, sondern liest eher Sachen zum Umfeld. Du spürst in dich hinein: Wie nehme ich das eigentlich wahr?

 

Sind Superhelden-Filme ein Genre, das dich generell interessiert?

Ich muss sagen, dass mich dieses "Anything goes", was Effekte und Technik angeht, eher irritiert. Deswegen fand ich auch Hawkeye als Helden mit am spannendsten, weil er so eine große Menschlichkeit mitbringt. Generell ist es wichtig, dass es solche Typen und ihre Ge- schichten gibt, dass sich bestimmte Dinge in der Erzählweise ändern. Ich habe neulich das Manifest eines amerikanischen Filmwissenschaftlers gelesen, der davon schreibt, wie sehr ihn die maskulinen Narrative des herkömmlichen Kinos langweilen. Diversität hieße für ihn nicht, dass man alles ordentlich und nett erzählt, sondern aufhört, so etwas wie Serienkiller zu glorifizieren, dass man aufhört, Gewalt zu glorifizieren, die von Männern gegen Frauen ausgeht. Da muss es auch nicht immer vordergründig um Empowerment gehen, sondern eben auch um einen Part, wie den der Hawkeye-Tochter. Das ist ja die Frage: Wo sind diese ‚dirty bitches‘, die ihr Business machen, bei dem uns Männern der Arsch auf Grundeis geht? Es braucht neue Frauenrollen, es kann nicht in unserem Interesse sein, dass dieses langweilige Patriarchat ewig so weitergeht.


Gibt es eine Verbindung zwischen Hawkeye und dem anderen Helden, den du spielst, "Tatort"-Kommissar Robert Karow?

Interessanter Punkt. Da ist es auch wieder das Trauma. Der Gedanke, genau dorthin zu gehen, wo man eigentlich nicht hinwill, man aber hinmuss. Der Aspekt, dass es blinde Flecken im Leben gibt, bei denen man kaum auf dem Schirm hat, dass es da so richtig weh tut. Vielleicht geht es im Leben auch darum: Dass man Punkte erreicht, an denen man verdammt nochmal nicht mehr weiß, wie es weitergeht, diese Ohnmacht, diese Leere auszuhalten, nicht immer davon auszugehen, dass man alles im Griff hat. Was für ein langweiliges Leben wäre das denn sonst?


 

© Lena Giovanazzi

Zur Person

Mark Waschke, 1972 in Wattenscheid geboren, im Saarland aufgewachsen, spielte schon als Kind Theater und war später Sänger der Punkband Ignaz. Waschke studierte Schauspiel in Berlin, gehörte anschließend zum Ensemble der Schaubühne Berlin und war in Kinofilmen wie "Buddenbrooks" und "Der menschliche Faktor" zu sehen. Seit 2015 spielt er den Berliner Tatort-Kriminalhauptkommissar Robert Karow.


Das Interview mit Mark Waschke findet ihr auch in buddy No. 11 - kostenlos in der Szene-Gastronomie erhältlich



 

Hawkeye

"Hawkeye" spielt in einer düsteren Zukunft. Die Bösen haben die Macht übernommen, die Guten sind am Ende. Clint Barton alias Hawkeye, gesprochen von Mark Waschke, ist der einzige Überlebende der Avengers, seine Tochter Ash bittet ihn um Hilfe.


"Marvel’s Wastelanders: Hawkeye" – eine Audible Original Podcast-Serie, die zweite Staffel mit Mark Waschke als Clint Barton/ Hawkeye.

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